Wunderschön: Das berühmte Foto "Earthrise" von Apollo-8 -Astronaut William "Bill" Anders (© NASA)

Eigentlich war ein Schnappschuss von Mutter Erde nicht vorgesehen, als die Crew von Apollo 8 den Mond umkreise. Doch zum Glück hielt NASA-Astronaut William Anders, genannt Bill, sich nicht an die Vorschriften. Und so entstand kurzerhand mit einer Hasselblad-Kamera die berühmte Aufnahme „Earthrise“, auf Deutsch „Erdaufgang“. Genau 50 Jahre später zog Anders in einem Interview mit der Tageszeitung „The Seattle Times“ Bilanz und sagte zwei bemerkenswerte Sätze: „Wir flogen hin, um den Mond zu entdecken. Aber was wir wirklich entdeckt haben, ist die Erde.“

In der Aussage schwingt die Ergriffenheit über die Schönheit des blauen Planeten mit. Es muss unbeschreiblich sein, die Erde einmal mit eigenen Augen aus dem Weltraum zu sehen. Leider ist diese Erfahrung bisher nur sehr wenigen Menschen vergönnt. Könnten deutlich mehr Menschen sie machen, würden sie wohl ganz anders über den Klimawandel nachdenken.

Ein ESA-Astronaut entschuldigt sich für den Zustand der Erde

Auch ESA-Astronaut Alexander Gerst war es vergönnt, die Erde aus dem All zu sehen. Allerdings erblickte er sie nicht vom Erdtrabanten aus, sondern aus deutlich näherer Entfernung – nämlich von der Internationalen Raumstation ISS. Auch er muss ergriffen gewesen sein. Allerdings mischte sich in seine Faszination zugleich die Sorge über die Auswirkungen des Klimawandels. Diese lassen sich sich schon heute 400 km über der Eroberfläche gut beobachten. In einer Videonachricht auf YouTube vom 25.11.2018 entschuldigt er sich bei seinen Enkelkindern stellvertretend für die Menschheit. Eine Menschheit, welche derzeit den Planeten mit Kohlendioxid verpeste, das Klima zum Kippen bringe, Wälder rode, die Meere mit Müll verschmutze, limitierte Ressourcen viel zu schnell verbrauche und darüber hinaus auch noch sinnlose Kriege führe.

Videonachricht von Alexander Gerst an seine Enkelkinder

Die Zugriffszahlen auf das Video sind trotz Rezeption in den Online-Medien mit 450 000 Aufrufen verhalten. Doch es gibt Hoffnung: Vor allem junge Menschen teilen seine Sorgen. Ihre Galionsfigur ist die 16 Jahre junge Greta Thunberg, eine schwedische Klimaschutzaktivistin. Mit öffentlichkeitswirksamen Schulstreiks, welche inzwischen unter dem Namen „Fridays for Future“ firmieren, gibt es inzwischen eine nicht mehr übersehbare globale Bewegung.

Böse Zungen wenden zwar gebetsmühlenartig ein, die wahre Motivation hinter den Streiks sei das Schwänzen der Schule. Das mag sein, denn Trittbrettfahrer gibt es immer. Allerdings ist der durch das Schulschwänzen angerichtete Schaden dann eher nachrangig im Vergleich zu den Umweltschäden, welche durch multinationale Konzerne tagtäglich angerichtet werden.

Der teure Preis für die Ökonomisierung aller Lebensbereiche

In einem unterhaltsamen wie gleichsam erschreckenden Beitrag zeigt der aus dem Fernsehen bekannte Professor Harald Lesch auf, welche Folgen der Klimawandel schon heute hat und mit welcher Rasanz die Menschheit auf den Weltuntergang hinzuläuft. Als Ursache dafür sieht er die Ökonomisierung aller Lebensbereiche und spricht deshalb auch vom „Kapitalozän“, dem Erdzeitalter des Geldes.

Vortrag „Das Kapitalozän – Erdzeitalter des Geldes“

Ein spannender Aspekt seines Vortrags ist die Frage, was passiert, wenn Menschen rhythmische Systeme vertakten. Dieser Gedanke entstammt der Zeitforschung (wird ausführlich im Beitrag „Wenn die Zeit zum Problem wird“ behandelt) und geht davon aus, dass die Natur einem Rhythmus folgt, also Wiederholungen mit Abweichungen – in Abgrenzung zu einem Takt, der sich durch gleichbleibende Intervalle auszeichnet.

Ein in diesem Kontext gut passendes und verständliches Beispiel lieferte vor geraumer Zeit der emeritierte Professor und Zeitforscher, Karlheinz Geißler, anhand eines Sees. Wenn ein See in Intervallen mit Abwasser belastet wird, die Regeneration aber einem Rhythmus folgt, muss das Ökosystem ab einem bestimmten Zeitpunkt kippen.

Verallgemeinert ist dieser Umstand ein Riesenproblem in einem Wirtschaftssystem, in dem Unternehmen nach dem höchstmöglichen Return on Invest gieren. Die fossilen Ressourcen würden, so Lesch, in einer atemberaubenden Geschwindigkeit aus dem Boden geholt und zu Energie verarbeitet. Gleichzeitig verändere sich aber die Natur durch geänderte Rahmenbedingungen (u. a. das Freisetzen von Kohlenstoffdioxid) den Naturgesetzen entsprechend.

After talking to so many of our leaders I have now realised that they have the climate crisis under control, they understand the emergency and are ready to act.‬
‪So I’ve now decided to stop striking and go back to school for good. I will no longer school strike on Fridays.‬ Aprilscherz auf Instagram, Greta Thunberg

Oder wie Lesch es metaphysisch ausdrückt: Zum einen würde die Vergangenheit in die Gegenwart geholt und zum anderen käme die Zukunft immer näher. Drastisch appelliert er an das studentische Vortragspublikum: „Eure Spielräume werden immer kleiner, ihr werdet den ganzen Scheiß bezahlen müssen, den wir jetzt nicht hinkriegen, weil der Return of Invest [sic!] ja so wichtig ist!“

Wer sich die Zeit nimmt den gesamten Beitrag anzugucken, dem wird anders zumute. Zurecht kritisiert der Professor Politiker, die den Klimawandel leugnen. Politiker hätten ein Problem, weil es sich beim Klimawandel um ein Feld handele, in dem es um Sachfragen ginge. Er spricht etwas aus, was Greta Thunberg erst letztens köstlich in einem eigenen Aprilscherz auf den Punkt brachte.

Auch Kosmonauten sind von Anblick der Erde ergriffen

Die Geschichtsschreibung über die Raumfahrt ist fälschlicherweise stark von den US-Amerikanern dominiert. Vielleicht auch deshalb, weil sie den Wettlauf zum Mond gewonnen hatten. Darüber hinaus erkannten die Amerikaner schnell, dass ein Hochglanzmarketing hilfreich ist, um ihre Nation auf die Eroberung des Weltalls einzuschwören. Richtig ist die Geschichtsschreibung deshalb nicht, weil viele Pionierleistungen vom damamligen Klassenfeind, der Sowjetunion, vollbracht worden sind.

Aus diesem Grund ist es spannend zu sehen, dass bereits der erste Mensch bei einer EVA (Abkürzung für extra-vehicular activity) vom blauen Planeten ergriffen war. Der Kosmonaut Alexei Leonow sagte in einem Fernsehinterview zu seinem Außenbordeinsatz: „Ich war über der Erde und konnte schauen, wohin ich wollte. Gleichzeitig war ich im Universum so klein. Es ist schwer vorstellbar. Nur wenn man dort ist, begreift man die Größe und Erhabenheit all dessen, was um einen herum ist. Auf der Erde fühlt man das nicht.“

Vielleicht ist Letzteres das eigentliche Problem: Intellektuell verstehen alle, worum es beim Klimawandel geht. Aber viele, vor allem falsche Gefühle stehen der Menschheit im Weg. Könnten doch nur alle einmal die Erde vom Weltall aus betrachten!

#Gesellschaft #Klima #Klimaschutz #Klimawandel #Weltall

5. April 2019