Verwaist: Eine S-Bahn am Hamburger Flughafen in Zeiten von Corona

Der „Economist“ bringt es in seinem aktuellen Leitartikel „The politics of pandemics“ auf den Punkt: „All goverments will struggle. Some will struggle more than others.“ Das Coronavirus SARS-CoV-2 zwingt die Welt zu einem unangekündigten Infrastrukturtest und dieser Test ist keine Übung!

Als das neuartige Coronavirus in der chinesischen Stadt Wuhan erstmalig auftrat, lehnte sich die restliche Welt noch entspannt zurück. Der Erreger war weit weg, die Lage undurchsichtig. Inzwischen steht fest, dass das Virus nicht mehr aufzuhalten ist. Die Frage, um die sich nun alles dreht, lautet: Wie lässt sich die Ausbreitung des Virus möglichst lange hinauszögern?

Alle haben Ferien, aber wohl wenig Ferienspaß

Eine Antwort vieler Regierungen ist es, die typischen Infektionswege möglichst zu unterbrechen. Und so haben sich in Deutschland nach einigem Föderalismus-Wirrwarr die Bundesländer entschieden, Kitas, Schulen und Universitäten bis auf Weiteres zu schließen. Plötzlich haben alle Ferien, allerdings dürfte sich der Spaß in Grenzen halten. Immer mehr Orte der Freizeitgestaltung schließen nämlich auch: Schwimmbäder, Fitnessstudios und in Berlin nun auch schon Restaurants.

Für die Eltern von Schul- oder Kitakindern kommt das Ganze sehr plötzlich und es stellt nicht wenige vor Herausforderungen. Neben der Bespaßung der Heranwachsenden stellt sich die Frage, wie die hungrigen Mäuler gestopft werden. Letzteres befeuerte sicherlich die an diesem Wochenende vieldiskutierten Hamsterkäufe. Klopapier hin oder her: Wenn wie in Spanien in Kürze auch noch ein Ausgangsverbot dazukommen sollte, beginnt auch in Deutschland für alle ein großer Einschnitt in die Freiheit jedes Einzelnen. Wer schon einmal einen Lagerkoller miterlebt hat, dem wird nun unbehaglich! Eine lange, nicht endende Autofahrt mit quengelnden Kindern ist im Vergleich nichts dagegen.

Wer kann, geht ins Homeoffice

Auch in der freien Wirtschaft wollen die Arbeitgeber ihren Beitrag im Kampf gegen Corona leisten. Da, wo es geht, werden Mitarbeiter zur Heimarbeit animiert oder sogar verpflichtet. Was sehr einfach klingt, zieht je nach Grad der Digitalisierung allerdings einiges an Logistik nach sich. Im Vorteil sind nun Unternehmen, die bereits in der Vergangenheit ihre Mitarbeiter konsequent mit Laptops anstatt Desktoprechnern ausgestattet haben. Abteilungen, die nun versuchen noch schnell Notebooks nachzubestellen, schauen mit Glück auf steigende Hardwarepreise und mit Pech in die Röhre.

Doch selbst wenn die Mitarbeiter mit Laptops ausgestattet sind, gibt es einige Tücken zu bedenken. Um nämlich von zu Hause auf das interne Netz der Firma zugreifen zu können, wird ein VPN-Zugang benötigt. VPN steht hierbei für Virtual Private Network. Im Prinzip ist es eine Software, die eine gesicherte Verbindung von zu Hause mit dem Firmennetzwerk herstellt. Eine Dienstleistung, für die sich VPN-Anbieter mittels Lizenzen, also Nutzungsrechten, bezahlen lassen. Da in der Regel nicht für jeden Mitarbeiter ein Zugang lizenziert wird (die Mehrheit arbeitet unter normalen Umständen in der Firma), erzwingt das Coronavirus einen erhöhten Lizenzbedarf. Während sich Lizenzen kurzfristig aufstocken lassen, wird sich zeigen, wie die interne Infrastruktur mit dem größeren VPN-Traffic zurecht kommt.

Auch bei den Instant-Messaging-Tools wird sich wahrscheinlich die Spreu vom Weizen trennen. Mutmaßlich hat nun die große Stunde von „Teams“ (Microsoft), „Slack“ (Slack Technologies) und „Hangouts“ (Google) geschlagen. Diese drei Dienste bieten neben dem reinen Chatten und Austauschen von Dateien auch die Möglichkeit Videokonferenzen abzuhalten. Besonders Microsoft und Google dürften, weil sie parallel im Cloudbusiness mitmitschen, gut mit der stärkeren Nachfrage zurechtkommen. Auch die Mitbewerber-Dienste wie Webex, GoToMeeting, Zoom und StarLeaf werden nun gefragt sein. Es wird sich zeigen, welche dieser Dienste dem Ansturm gewachsen sind – und welche nicht.

Die Grenzen des Machbaren

Unangekündigte Tests haben wie früher in der Schule den unangenehmen Nebeneffekt Leistungsdefizite gnadenlos aufzuzeigen. Wer ständig übt, ist klar im Vorteil. Die Realität ist aber, dass die Coronakrise Politik, Wirtschaft und Gesellschaft völlig unvorbereitet getroffen hat. So wirkt es denn auch grotesk, dass der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr über Twitter Pflegekräfte sucht, welche als Reservisten in Bundeswehrkrankenhäusern einspringen sollen. Eine funktionierende und vor allem in Übung gehaltene Reserve wäre nun sicherlich von Vorteil. Auch für alles, was vielleicht noch kommt.

Das Gesundheitssystem unterliegt wie auch Sicherheit einer Illusion! Schon im Normalbetrieb kommt das System auf Grund von Kostendruck permanent an seine Grenzen. Ein Umstand, der vielen Menschen durchaus bewusst ist. Was allerdings vielen fehlt, ist ein gesunder Menschenverstand. Neben Corona rollt derzeit die jährliche Grippewelle übers Land. Nicht jeder muss wegen möglicher Corona-Symptome gleich ein Krankenhaus aufsuchen. Die dort vorgehaltene Infrastruktur wird nämlich für die wirklich schwierigen Fälle benötigt. Anscheinend hat die Regierung keine guten Krisenkommunikationsberater. Ansonsten wäre vielleicht schon jetzt viel deutlicher geworden, was das Ziel der enormen Aufwände ist: die Verbreitung des Virus möglichst lange zu verzögern.

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15. März 2020